Teres Wydler beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Thema eines erweiterten Naturbegriffes,
der Frage nach der Natur als Teil unserer Kultur. Bewirkt die rasante Beschleunigung einer
wissenschaftlichen computertechnischen Entwicklung auch einen veränderten Natur- und Kunstbegriff?
Evolutionsbiologie, Ökosysteme, meteorologische und seismografische Daten bilden das Ausgangs-
material des Projektes. Sie will sich allerdings nicht auf eine Klima-, Situationsdarstellung, Kritik oder
Ursachendiskussion einlassen, es interessieren sie dabei auch nicht Klimahysterien und Panikmache,
sondern sie stellt sich die Frage, ob die menschliche Kultur nur eine Zwischenstufe in der Weiter-
entwicklung der Natur darstellt, sozusagen eine weitere Stufe der Evolution, bei der der Mensch
möglicherweise gar nicht mehr existiert.
TW macht in ihrer konzeptionellen Arbeit Kunst zum Sensor: Sie verwendet die Montagehalle des
Kunstraum Dornbirn als Erfahrungsraum – macht das zwiespältige Zusammenspiel von Kunst und
Natur erlebbar. Erneut wird die Kunst zum Sensor für den Zustand der Natur, der zu einer
Veränderung des Naturbegriffs führen wird. Die Wahrnehmung und Anschauung von Natur
als multimediales Ereignis, als Simulation und literarisches Konzept, das in einer Hypernatur
mündet, findet in das Pro-jekt durch Videoinstallationen, Licht- und Spiegelreflexionen, sowie
einer Soundinstallation Eingang.
Die Ausstellung untersucht den Naturbegriff auf zwei unterschiedlichen Ebenen – wie die
Künstlerin sie nennt: auf der Ebene der autoritären und der kontrollierten Natur:
_Auf der Ebene der autoritären Natur – der unkontrollierbaren Erscheinunsform von Natur am
Beispiel von Klima, Wetter, Naturgewalten. Einer Sensation, die alle Sinne anspricht, d.h. die
Sinne haben sich entsprechend geformt. In Jahrmillionen hat sich das labile Fliessgleichgewicht
von Atmosphäre und Natur auf unserem Planeten entwickelt. Die großen Naturgesetze wirken
noch autonom, sowohl aufbauend, regulierend als auch zerstörend.
_auf der Ebene der kontrollierten, konstanten Natur, entwickelt sich eine künstliche, gesteuerte,
technoiden Hypernatur in einer neuen hochtechnisierten Kunstlandschaft. Es entstehen gigantische,
geplante Räume mit einer neuen Natur: synthetisch, simuliert, rekonstruiert, teils echt, teils künstlich,
kontrolliert und konstant.
In der Videoinstallation „Blatt und Spiegel“ verwendet Teres Wydler zwei unterschiedliche Ebenen:
Sie lässt ein Salatblatt, Inbegriff von Hypernatur, vor dahinziehenden Cumuluswolken, Zeichen
autoritärer Natur, am weiten Himmel schweben. Durch die schräggestellten Spiegelflächen sieht
sich der Betrachter in die endlose Vervielfältigung der Hypernatur hineinprojiziert und beide
Naturerscheinungen werden simultan sichtbar.
In der Installation „Red Rain“ treten anstelle von Wänden Videoscreens, welche einen Kubus
bilden und deren Projektionen von prasselndem roten Regen, dessen aggressive rote Färbung
konkrete Brutalität visualisiert und zusätzlich akustisch unterstützt durch Regengeräusche den
Impuls von Naturereignissen aktiviert. Wieder stellt sie autoritäre Natur, emotional gesteigert
durch Rotfärbung des Regens einem menschlichen Konstrukt eines Würfel, einer Hypernatur,
gegenüber. Dieser kann von außen, aber auch von innen, sozusagen im Regen stehend, erlebt
werden.
Installation „Mikro Makro“:
Die extraterrestrische Sicht auf den Planeten Erde und die molekulare Sicht in einen menschlichen
Zellkern werden auf 2 Bildschirmen wiedergegeben. Es sind dies die beiden Exponenten der
menschlichen „Natur-Wahrnehmung“ und zeigen deren ganzes Spektrum, einer Sicht sozusagen
von außen und von innen.
Akustische Installation mit einer Klangcollage:
Das N.I.C.E. Projekt wird begleitet mit einer Tonspur von tiefen akustischen Schwingungen eines
Erdbebens. Unsere primäre Wahrnehmung ist visuell, hier ist sie körperlich spürbar.
Das Textband
eines Zitates von Hermes Trismegistus / Thot bildet sozusagen eine Klammer um die Ausstellung,
die durch die Länge des Bandes, fast wie aus Makrosicht gesehen, kaum mehr lesbar ist und eine
Referenz an die Antike bildet.
…earthy man is composite. Within him is the skyman, immortal and beautiful. Without is nature,
mortal and destructible. Thus, suffering is the result of the immortal man´s falling in love with his
shadow and giving up reality to dwell in the darkness of illusion…
…der irdische Mensch ist zusammengesetzt: in seinem Innern herrscht der Himmelsmensch,
unsterblich und schön. Äusserlich ist er Natur, sterblich und zerstörbar. Deshalb leidet der
unsterbliche Mensch und verliebt sich in sein Schattenbild. Er gibt die Realität auf und haust
im Dunkeln der Illusion… (Hermes Trismegistus / Thot; Übersetzung durch die Künstlerin