Bettina Siegele hat sich für artmagazine.cc mit der Arbeit Robert Kuśmirowskis beschäftigt:
Die Faszination an Täuschung durch Kopieren begleitet den polnischen Künstler Robert Kuśmirowski bereits seit seiner frühen Kindheit. Was einst mit Zeichnungen, Briefmarken oder Dokumenten begann, hat sich in seinem späteren künstlerischen Schaffen auf Fotografien und Rauminstallationen ausgedehnt. Aus dem Kopieren wurde irgendwann ein Rekonstruieren, das immer auch von subjektiven Interpretationen beeinflusst wird. Durch diese visuelle Rekonstruktion von (fiktiven) Narrativen, die nahezu schon penibel bis ins kleinste Detail gestaltet sind, eignet sich Kuśmirowski Geschichte nicht nur an, sondern schreibt sich auch selbst in sie hinein. So war er bei der Eröffnung auch ein physischer Teil des im Kunstraum Dornbirn geschaffenen szenografischen Settings, das den „Raum der Wünsche“ aus Andrei Tarkowskis Sowjet-Klassikers „Stalker“ unverkennbar nachbildet:
Sandhügel überziehen den Boden der ehemaligen Montagehalle, deren Kräne und andere architektonischen Details aus früherer Nutzung vom Künstler geschickt mit in die Erzählung eingebaut wurden. In einer Hütte im hinteren Teil des Raumes flackert Licht, etwas davor steht eine unbekannte Person mit Gasmaske. Nebelschwaden ziehen durch den Raum und die Wirkung der begleitenden Soundinstallation wird vom Knirschen des Sandes unter den Schuhen untermauert.
Durch die Aneignung des Filmsettings und dessen Übertragung in den Kunstraum schwindet Tarkowskis eigentliche Erzählung allmählich. Sie verliert ihren Ursprung und wird so zu Kuśmirowskis eigener Geschichte, die er dann wiederum an die Besucher und Besucherinnen weitererzählt und diesen gleichzeitig zur Verfügung stellt. Dabei lässt er den Besucher:innen aber kaum (physische) Bewegungsfreiheit oder verschiedene Blickwinkel, sondern diktiert ein eingefrorenes Bild, das den Blick der Betrachter:innen klar vorgibt und auf gewisse Art und Weise instrumentalisiert. Man wird förmlich dazu gezwungen, sich auf das Setting einzulassen. Und tatsächlich, umso länger man dort steht und in die Szenerie blickt, umso mehr schafft es „DUSTribute“ eine:n hineinzuziehen. Erlebtes und Erinnertes vermischen sich mit der rekonstruierten Geschichte, und persönliche Eindrücke spinnen die dargestellte Erzählung automatisch weiter. Die Grenzen zwischen Fiktion, Erfahrenem und Wirklichkeit verwischen.
Das holistische Setting und die Herangehensweise an das Erzählen von Geschichte ohne jegliche Worte, dafür aber auf einer umso stärkeren visuellen Ebene wird von der dystopischen Ästhetik getragen und erzielt auf diese Weise eine fast schon unheimliche Wirkung, die unter die Haut geht. Da kommt es einem beinahe schon wie ein glücklicher Zufall vor, wenn man irgendwann von dem von draußen hereindringenden Vogelgezwitscher eingeholt und zurück ins Hier und Jetzt gebracht wird.
Link: Robert Kuśmirowski – Dustribute: Dystopische Erzählmaschine (artmagazine.cc)