Erwin Wurm
Raum für ein Vexierspiel zwischen Kritik und Ironisierung sowie Distanz und Interaktion

 

Erwin Wurm gehört zu den international renommiertesten Künstlern Österreichs. Sein Werk ist untrennbar mit der „Erweiterung des Skulpturenbegriffes“ verbunden. In Wurms Werk zeichnen sich bis heute wesentliche Entwicklungslinien von Skulptur im 20. und 21. Jahrhundert ab: über das Objekt zur Handlung und weiter zur Bildwerdung, im Wissen um eine zunehmende Mediatisierung von Welt.

Indem Wurm die Grenzlinien zwischen Skulptur, Aktion und Performance auslotet, erweitert er Bildhauerei um neue Dimensionen. So werden Handlungen, geschriebene und gezeichnete Anweisungen, ja selbst Gedanken bei Wurm zu Skulpturen.

Die zentrale Fragestellung des Künstlers lautet: „Kann ich mit dem Begriff des Skulpturalen den Alltag und unsere Zeit bearbeiten und eine neue Perspektive oder neue Interpretationsmöglichkeit gewinnen?“

Sein künstlerisches Werk reicht von seinen frühen Staubskulpturen (Ende der 1980er Jahre) über die One Minute Sculptures (ab den 1990er Jahren) bis hin zu den Raum füllenden Fat Cars oder Fat Houses (ab 2001). Wurm ändert die Maßstäbe von Dingen, um den Alltag aus einer anderen Perspektive zu zeigen: Statussymbole, wie Autos oder Häuser, werden fett oder auf den Kopf gestellt, andere wie sein Elternhaus Narrow House schrumpfen oder beginnen zu schmelzen Guggenheim Melting, Essiggurken oder Polizeimützen wachsen zu skulpturaler Größe.

Humor ist eine Waffe…

… hat Erwin Wurm einmal gesagt. Doch in den oberflächlich betrachtet ironisch und skurril wirkenden, ihrem Alltag entzogenen banalen Objekte, manifestieren sich Wurms sozialkritische und philosophische Überlegungen zu unserem zeitgenössischen Dasein und der, im Westen, dominierenden Konsum- und Überflussgesellschaft.

Auch der zunächst in vielen künstlerischen Werken verdrängte Mensch kehrt wieder zurück – über die Alltagsobjekte und das Performative rückt Wurm den Menschen und das Anthropomorphe ins Zentrum seiner Arbeit. Dabei geht es in seiner Arbeit um die Dialektik von Anwesenheit und Abwesenheit und die damit verbundene Stimulation unserer Vorstellungskraft. Wurm untersucht dabei auch unser Bild der realen Welt und unsere existentielle Verunsicherung durch deren fortlaufende veränderte und verzerrte Darstellung in den sozialen Medien.

Für die im Stadtraum von Dornbirn stattfindende Ausstellung erweitert Erwin Wurm seine Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Natur des Skulpturalen um ein virtuelles Medium. Dabei geht es nicht darum, das Werk dieses wohl renommiertesten österreichischen Gegenwartskünstlers retrospektiv zu zeigen. Vielmehr wird die Stadt selbst die Rolle eines Generators einnehmen und mit den Besucher*innen selbst und aktiver Bestandteil des Geschehens sein. Dieses Wechselspiel mit dem öffentlichen Raum Dornbirns macht die Vielschichtigkeit und inhaltliche und formale Komplexität der Kraft von Erwin Wurms Werken deutlich.

Das Einlassen  auf Wurms Vexierspiel zwischen Kritik und Ironisierung sowie Distanz und Interaktion und die damit verbundene Befragung des Verhältnisses von Kunst und Gesellschaft lässt die Besucher*innen kaum unberührt und bietet vielfältige Möglichkeiten für Diskurs und Reflexion über unser Sein in einer digitalen Welt.

Erwin Wurm
(*1954) lebt in Wien und Limberg, Österreich. Das umfangreiche Verzeichnis seiner Einzel- und Gruppenausstellungen und der Sammlungen, in denen seine Arbeiten vertreten sind, finden Sie auf erwinwurm.at